SN19 bdo SN Entwurf IVSG

Entwurf eines Gesetzes über Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (Intelligente Verkehrssysteme Gesetz- IVSG)

Berlin, 22.10.2012

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer e.V. (bdo) ist der Spitzenverband der privaten Omnibusbranche in der Bundesrepublik Deutschland. Er vertritt auf Bundesebene und im internationalen Bereich die gewerbepolitischen und fachlichen Interessen von rund 3.000 Busunternehmern, die sich im Öffentlichen Personennahverkehr, in der Bustouristik und im Busfernlinienverkehr engagieren und unter dem Dach des bdo zusammengeschlossen haben.

Hinsichtlich des Entwurfs eines Gesetzes über Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (Intelligente Verkehrssysteme Gesetz- IVSG) nimmt der bdo wie folgt Stellung:

1) Gefahr unverhältnismäßiger Kosten (zu § 3 S. 1 IVSG-E i.V.m. Art. 6 RiL)

Die Richtlinie 2010/40/EU zum Rahmen für die Einführung intelligenter Verkehrssysteme im Straßenverkehr und für deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern stellt für die Kommission eine umfassende Rechtsgrundlage für detaillierte Umsetzungsregelungen im Bereich IVS dar. Auf Basis dieser Richtlinie kann die Kommission den Einbau bzw. die Nutzung bestimmter IVS-Dienste und –Anwendungen durchsetzen, was im Einzelfall zu hohen Kosten insbesondere für Personentransportunternehmen führen dürfte.

Zwar können die Mitgliedstaaten (im IVS-Ausschuss gemäß Art. 15 RiL) sowie Industrie, Nutzerverbände und Verkehrsunternehmen (im IVS-Beratergremium gemäß Art. 16 RiL) die Kommission beraten, doch wird letztlich sie über die Mindestanforderungen und somit die Einführung einzelner IVS-Dienste und –Anwendungen bestimmen. Im Übrigen ist es derzeit keineswegs sicher, dass für jeglichen IVS-Dienst auch eine Zahlungsbereitschaft der potentiellen Nutzer besteht. Wegen des sehr unterschiedlichen Zustands der Straßennetze und großer Unterschiede in der Verkehrsdichte ist nicht ersichtlich, dass die koordinierte Einführung aufwendiger IVS allen Mitgliedstaaten gleichermaßen nutzt.

2) Notwendigkeit einer koordinierten Einführung von eCall fraglich (zu § 3 S. 1 IVSG-E i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Anhang I Nr. 1 RiL)

Eine koordinierte Einführung in den Mitgliedstaaten wäre dann gerechtfertigt, wenn die Einführung von IVS-Diensten und –Anwendungen zum Schutz Dritter geboten wäre. Hier kommen insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit in Betracht. Vor diesem Hintergrund sind unter anderem die Notwendigkeit bzw. entsprechende Sicherheitsgewinne durch eine Einführung des geplanten Notrufsystems eCall fraglich. Soweit in den Mitgliedstaaten bereits andere Notrufsysteme bestehen, ist der Mehrwert von eCall dort begrenzt.

3) Subsidiaritätsgrundsatz nicht beachtet

Durch die Richtlinie 2010/40/EU wurden die Voraussetzungen für die EU-weite Einführung von IVS-Diensten und –Anwendungen geschaffen. Andererseits steht nicht fest, dass in allen Mitgliedstaaten ein hinreichender Bedarf an den jeweiligen Diensten besteht. Ein EU-Handeln wäre nur dann sachgerecht, soweit IVS-Dienste und –Anwendungen ein grenzüberschreitendes Problem lösen und ihre Einführung eindeutig im öffentlichen Interesse liegen würde. Dies gilt sicherlich für technische Spezifikationen, die unterschiedliche IVS-Dienste in verschiedenen Mitgliedstaaten so aufeinander abstimmen, dass diese grenzüberschreitend verfügbar sind. Der Bereich der Mobilität in Städten weist hingegen keinen grenzüberschreitenden Bezug auf.

4) Datenschutzprobleme (zu § 3 S. 2 IVSG-E)

IVS-Dienste und –Anwendungen, die personenbezogene Daten verwenden, werfen eine Reihe von Datenschutzproblemen auf. Es sollte daher für jeden IVS-Dienst/-Anwendung konkret im Einzelfall geprüft werden, welche personenbezogenen Daten wirklich verwendet werden müssen. Insbesondere ist auch ein Missbrauch von Daten zu verhindern, die von Verkehrsunternehmen für IVS-Anwendungen zugänglich gemacht werden.

5) Vereinbarkeit mit deutschem Recht (zu § 5 IVSG-E)

Es bestehen Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des vorliegenden Gesetzentwurfs mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser Grundsatz ist verletzt, wenn das staatliche Handeln, das auf eine Rechtsvorschrift gestützt werden kann, nicht vorhersehbar ist. Der Gesetzesvorschlag läuft darauf hinaus, dass die Kommission die Einführung konkreter IVS-Dienste und –Anwendungen vorschreiben kann. In Anbetracht der schnellen technischen Entwicklung ist allenfalls in Umrissen bekannt, welche konkreten IVS-Dienste und –Anwendungen eingeführt werden sollen.

Die Verpflichtung zur Anpassung von Fahrzeugen an bestimmte IVS-Dienste kann einen Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit darstellen, der nach der sog. „Wesentlichkeitstheorie“ des BVerfG vom Gesetzgeber selbst beschlossen werden müsste (Art. 20 Abs. 3 GG Vorbehalt des Gesetzes). Soweit der Gesetzentwurf lediglich eine Rechtsverordnungsermächtigung für das BMVBS enthält, missachtet er diese Voraussetzung. Zu fordern ist stattdessen ein förmliches Parlamentsgesetz darüber, ob und welche IVS-Dienste/Anwendungen in Deutschland umgesetzt bzw. eingeführt werden sollen.